- Medizinnobelpreis 1966: Charles Brenton Huggins — Francis Peyton Rous
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Rous erhielt den Nobelpreis für »seine Entdeckung zu Tumoren erzeugenden Viren« und Huggins für »Entdeckungen zur Hormonbehandlung von Prostatakrebs«.BiografienCharles Brenton Huggins, * Halifax (Kanada) 22. 9. 1901, ✝ Chicago 12. 1. 1997; ab 1936 Professor für Chirurgie an der University of Chicago, ab 1951 dort Leiter des von ihm gegründeten Ben-May-Laboratoriums für Krebsforschung; Arbeiten zur Tumorforschung, besonders zur Chemotherapie.Francis Peyton Rous, * Baltimore (Maryland) 5. 10. 1879, ✝ New York 16. 2. 1970; ab 1909 Professor am Rockefeller Institute for Medical Research in New York, ab 1957 Mitglied des Sloan-Kettering-Institute für Krebsforschung in New York; Arbeiten auf dem Gebiet der Krebsforschung, besonders der Tumoren erzeugenden Viren.Würdigung der preisgekrönten LeistungPeyton Rous gehört mit Sicherheit zu den Anwärtern für den Nobelpreis, die am längsten auf die Würdigung warten mussten. Mehr als ein halbes Jahrhundert dauerte es, bis das Komitee in Stockholm dem amerikanischen Virologen gemeinsam mit seinem Landsmann Charles Huggins den höchsten Lorbeer unter Wissenschaftlern verlieh. Der Grund für diese Verzögerung war nicht etwa die Langsamkeit der Juroren, sondern vielmehr, dass niemand, einschließlich Peyton Rous selbst, erkannte, wie wichtig sein Ergebnis war.Dabei waren die Experimente wirklich bahnbrechend, mit denen der damals 30-jährige Peyton Rous am Rockefeller-Institut Furore machte. Um das Jahr 1910 wollte er beweisen, dass Viren bestimmte Tumoren in Hühnern auslösen. Einfach waren diese Experimente nicht, galten doch Viren damals als selbst unter dem Mikroskop nicht sichtbar und durch den besten Filter nicht abtrennbar. Obendrein gab es nur eine sehr zeitraubende und teure Methode, solche Erreger zu züchten: in lebenden Tieren.Das Rous Sarkom Virus IPeyton Rous machte aus der Not eine Tugend. Er zerkleinerte die spontan auftretenden Tumoren bei Hühnern sorgfältig und filtrierte diese durch die besten vorhandenen Filter. Im durchlaufenden Wasser konnten sich als einzige »Lebewesen« nur noch Viren befinden, von denen die Wissenschaft behauptet, sie befänden sich genau an der Grenze zwischen belebter und unbelebter Natur. Gab Rous dieses Wasser gesunden Hühnern, entwickelten diese bald den gleichen Tumor, aus dem das Filtrat gewonnen worden war. Obendrein konnte Rous den heute »Rous Sarkom Virus I« genannten Erreger auch aus befruchteten Eiern isolieren, in die er vorher Filtrat aus Tumoren injiziert hatte. Damit war der Nachweis erbracht, dass Viren Tumoren verursachen können.Selbst aus Knochentumoren oder aus Bindegewebskrebszellen des Geflügels konnte Rous Viren isolieren, die ihrerseits Tumoren auslösten. Dabei verursachte jeder Erreger genau den Tumor, aus dem er isoliert worden war.Nachdem Rous seine Ergebnisse veröffentlicht hatte, sprangen natürlich etliche andere Wissenschaftler auf den fahrenden Zug. Sie bearbeiteten die Tumoren von Mäusen und Ratten mit ähnlichen Methoden. Sooft sie ihre Experimente aber auch wiederholten, das Filtrat aus solchem Gewebe löste keinen Krebs aus. Zwar wurden die Ergebnisse von Rous nicht angezweifelt. Allerdings galten die von Viren übertragenen Geflügeltumoren bald als Kuriosität, die es anscheinend nur bei Hühnern gibt. Krebs bei Säugetieren aber musste anders entstehen, lautete die einhellige Meinung.1932 flammte das Interesse an der Virustheorie wieder auf, als bekannt wurde, dass auch ein gutartiger Hauttumor bei einer wilden Kaninchenart durch Viren ausgelöst wird. Rous griff die Experimente auf und entdeckte Erstaunliches: Normalerweise wächst dieser gutartige Tumor nur langsam und verschwindet nach einiger Zeit von selbst. Behandelte der Wissenschaftler den gutartigen Tumor aber mit krebsauslösenden Chemikalien, deren Konzentration jedoch normale Zellen nicht in Krebszellen verwandelt, wurde der gutartige Hautkrebs plötzlich bösartig, begann zu wuchern und führte zum Tod der Tiere.Damit hatte Peyton Rous erstmals nachgewiesen, dass Krebs nicht schlagartig entsteht, sondern sich über mehrere Stufen entwickelt. Eine davon kann ein gutartiger Tumor sein, wie er bei der Kaninchenart auftritt. Ähnlich verhalten sich auch Papillomviren, die auf der Haut und im Genitalbereich Warzen verursachen. Diese gutartigen Geschwulste aber können sich unter Umständen in einen bösartigen Krebs verwandeln. Auch beim Menschen ist Krebs ein Mehrstufenprozess.Diese Erkenntnis wäre eines raschen Nobelpreises würdig gewesen, wenn der Virologe nicht immer noch darauf bestanden hätte, dass die Viren ein entscheidender Auslöser bei der Entstehung von Tumoren sind. Seine Kollegen waren da ganz anderer Meinung: Nur bei Geflügeltumoren spielen Viren eine wichtige Rolle. Bei Säugetieren dagegen kannte man nur zwei Tumoren, die durch Viren verursacht werden: Der Kaninchen-Hauttumor, den Rous bearbeitet hatte, war ohnehin gutartig. Daneben gibt es noch einen Brusttumor bei Mäusen, der über Viren in der Muttermilch übertragen wird. Aber dieser Tumor spielt in der Medizin kaum eine Rolle.In den 1950er-Jahren kamen verschiedene Forscher zu neuen Erkenntnissen. Viren können Teile ihres Erbmaterials in die Zellen ihres Wirts übertragen, ohne diesen zu töten. Dieses Viruserbgut wird in Zukunft genau wie das eigene Erbgut von der Zelle an ihre Nachkommen weitergegeben. Damit bewirkt das Virus eine dauernde Veränderung der Zelle. Das »Rous Sarkom Virus I« zum Beispiel verändert die Zelle so, dass sie sich in eine Tumorzelle verwandelt. Auch andere Viren können das Erbgut der Wirtszelle so verändern, dass sie sich in eine Tumorzelle verwandelt. Erst nach dieser Erkenntnis bekam Rous den Medizinnobelpreis zugesprochen.Wachstumshemmung bei ProstatakrebszellenSein Mitpreisträger Charles Huggins musste bei weitem nicht so lange auf den begehrten Forscher-Lorbeer warten. Er hatte bei Hunden die Prostatazellen untersucht und festgestellt, dass sie durch männliche Sexualhormone zum Wachsen angeregt und durch weibliche Sexualhormone daran gehindert werden. Huggins fragte sich daraufhin, ob die Zellen von Prostatatumoren des Mannes solche Wachstumshormone benötigen. Dann aber wäre es sinnvoll, die männlichen Sexualhormone in Prostatakrebs-Patienten zu unterdrücken. Tatsächlich lässt sich der Tumor so beeinflussen. Die Folgerungen aus den Experimenten des amerikanischen Mediziners mit Hunden haben daher inzwischen etlichen Prostatakrebs-Patienten das Leben gerettet.R. Knauer, K. Viering
Universal-Lexikon. 2012.